Neuer Mut

Wie andere damit umgehen: Beispiele, die ermutigen können

Pflegeeltern leisten einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft. Das wird jeder Jugendamtsleiter gerne bestätigen. Die Herausforderung ist allerdings etwas komplexer – weil Emotionen im Spiel sind. Einerseits sollen wir gefühlvoll auf die Sorgen und Nöte der aufgenommenen Kinder eingehen und selbstverständlich Bindungen aufbauen – andererseits sollen wir sachlich-distanziert mit Schwierigkeiten umgehen und mit Nicht-Familienmitgliedern intensiv über unsere Kinder diskutieren. Eine Gratwanderung, manchmal auch ein Dilemma. Auf welche Weise man dabei dennoch neuen Mut fürs Alltagsleben gewinnen kann, haben wir in einer Umfrage unter Pflegeeltern erfahren.

Zuversicht auch ohne Idealzustand

Den Zustand des idealen Pflegeverhältnisses hat das Aktionsbündnis Praxis auf diese Weise beschrieben:

„Pflegekinder werden in Pflegefamilien untergebracht, um dort Familie zu erleben. Familie mit Nähe, Ritualen und Beziehungen. Die Pflegeeltern bieten dem Kind Beziehung an und das Kind entwickelt Beziehungen zu den Pflegeeltern. Das Kind und die Pflegeeltern kommen sich näher, das Kind wird ein wichtiges Mitglied der Familie und die Pflegeeltern empfinden Verantwortung und Liebe. Sie wissen, dass das Kind bei ihnen eine gute Chance bekommen hat, die besonders dann erfolgreich sein kann, wenn die Beziehung der Pflegeeltern und des Kindes nicht infrage gestellt wird und das Pflegekind Geborgenheit in der Pflegefamilie erfahren kann.“

Ob man dies erreicht, liegt oft nicht an einem selbst. Aber dagegen, im Alltag zu verzweifeln, kann man etwas tun – zum Beispiel, sich von anderen inspirieren zu lassen. Die folgenden Antworten haben uns unterschiedliche Pflegeeltern aus ganz Deutschland zugeschickt. Zur Veröffentlichung haben wir sie anonymisiert.
</>

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie an einem durchschnittlichen Tag? Auf welche Weise meistern Sie diese?

Mangelnde Akzeptanz

Mit den gravierenden Verhaltensauffälligkeiten zurechtzukommen und der wenigen Akzeptanz der Umwelt.

Immer einen Plan B parat

Jeden Tag steht am Morgen die Frage im Raum: Wie war die Nacht und werden alle drei Kinder in die Schule bzw. in den Kindergarten gehen? Häufig bleibt aus gesundheitlichen Gründen ein Kind zuhause. Dann müssen wir die Betreuung und die ärztlichen Maßnahmen regeln. Oftmals, genau an solchen Tagen, ruft der Pflegedienst an und meldet seinen Mitarbeiter krank. Das ist bei uns erschwerter Alltag, aber schaffbar. Wir haben durch ein gutes Netzwerk und die vergangenen Jahre gelernt, dass ein Plan B her muss. Wenn dann die Post kommt und ausnahmsweise ein Bewilligungsbescheid ohne Widerspruchsverfahren dabei ist, dann ist der Tag perfekt.

Grenzen aufzeigen

Meinem Pflegesohn Grenzen aufzuzeigen, ihn in die richtige Bahn lenken. Jeden Tag für ihn da zu sein trotz manchem Mist, den er baut. Ihn nie als Person in Frage zu stellen.

Planung nötig

Tagesplanung und Organisation unserer Pflegefamilie waren stets „mit heißer Nadel gestrickt“. Das ist nur durch eisernes Zeitmanagement und Selbstdisziplin zu bewältigen, was aber problemlos erlernbar ist.

Über welche positive Entscheidung oder über welche positive Geste oder Ermunterung haben Sie sich zuletzt richtig gefreut?

Dankesbrief

Über einen Brief meines Pflegesohnes, wo er mich den besten Papa der Welt genannt hat und mir gedankt hat, dass ich für ihn da bin und dass ich ihm geholfen habe, so zu sein, wie er jetzt ist, ohne Ausraster und im Leben stehend.

Entlastung durch Betreuungsstunden

Wir freuen uns über die Genehmigung der Entlastungsstunden für unseren Jüngsten. Dafür sind wir sehr dankbar. So können wir unseren Alltag planen, allen gerecht werden und jedem Kind Einzelzeit gönnen. Wir möchten unseren süßen kleinen Wirbelwind nämlich so lange wie möglich in unserer Familie betreuen. Er ist trotz aller Schwierigkeiten ein tolles und liebenswertes Kind.

Ruhestand für den Sachbearbeiter

Als der Hilfsmittel-Sachbearbeiter der Krankenkasse für unseren Jüngsten, mit dem wir oft heiße Auseinandersetzungen hatten, in den Ruhestand ging, führte er sein letztes Telefongespräch ausgerechnet mit uns, um sich zu verabschieden. Sein wichtigster Satz: „Sie waren meine liebsten Feinde!“

Wertvolles Vertrauen

Zuletzt erfreute ich mich an einem gemeinsamen Abendessen mit meiner Fachberaterin, die mich und meine Familie seit zehn Jahren begleitet. Diese Vertrauensbasis ist unbezahlbar.

Gute Gespräche mit der Krankenkasse

Ich bin sehr froh über eine gute Zusammenarbeit mit unserer Krankenkasse. Hier haben wir kaum Schwierigkeiten, etwas gemeinsam zu erarbeiten und in guten Gesprächen zum Wohle der Kinder zu entscheiden. Dies setzt Transparenz und gesunde Kompromissbereitschaft voraus, was uns bisher auf beiden Seiten gut gelingt.

Unterstützung beim Hilfeplangespräch

Dass das Jugendamt mir in einem Hilfeplangespräch sehr zur Seite stand, obwohl selbst die Schulbegleiter etwas anderes wollten.

Welche Entwicklung in Ihrem Leben hätten Sie sich nicht vorstellen können?

Ein ganz anderer Alltag

Wir wussten, dass unser Pflegesohn schwer behindert sein wird. Er lag nach der Geburt sechs Monate auf der Intensivstation einer Klinik. Wir wussten im Vorfeld natürlich nicht, dass er durch seine extremen Verhaltensauffälligkeiten unseren kompletten Alltag bestimmen wird.

Kinder beim Sterben begleiten

Ich hätte niemals gedacht, die Kraft zu haben, sterbende Kinder begleiten zu können. Mein Leben als Pflegemutter von Kindern mit Behinderung hat mir diese Entwicklung meiner Persönlichkeit ermöglicht.

Minute mit Folgen

Dass ich meinen Pflegesohn aufgenommen habe. Das war damals eine Minutenentscheidung, die ich nicht bereut habe.

Kampf um grundlegende Rechte

Dass ich so sehr um die grundlegenden Rechte der Kinder kämpfen muss.

So viele Pflegekinder

Dass es so viele Pflegekinder werden würden und wir so lange durchhalten könnten.

Wer oder was gibt Ihnen persönlich Kraft? Auf welche Weise?

Liebe und Zusammenhalt

Die Liebe der Kinder und der Zusammenhalt mit meinem Ehemann.

Unterstützung vom Amt

Dass der Pflegekinderdienst des Jugendamtes einen immer unterstützt und auch begleitet, wenn es notwendig ist. Auch der Psychiatrische Dienst des Jugendamtes unterstützt uns hervorragend.

Liebe und Selbstvertrauen

Die Liebe unserer Pflegekinder entschädigt für alles, bis heute. Und ein ordentliches Stück Selbstvertrauen braucht es schon auch.

Auszeiten im Alltag gönnen

Ich schätze den Austausch mit anderen Pflegeeltern sehr, unter anderem deshalb, weil man dort auch Schwierigkeiten besprechen kann, die Familien mit leiblichen Kindern nicht haben. Außerdem gehe ich sehr gerne drei bis vier Mal im Jahr tanzen. Einfach mal an nichts denken und den Alltag ausblenden. Wir als Ehepaar gönnen uns aber auch gegenseitig kleine Auszeiten im Alltag. Außerdem ist mir persönlich das Zwiegespräch mit Gott eine große Hilfe.

Kinder als Geschenk des Lebens

Meine Kinder geben mir jeden Moment die Kraft! Sie sind mit so wenig glücklich und durch ihre sehr besonderen Eigenschaften wohl die ehrlichsten Menschen der Welt! Sie sind ein anstrengend-liebenswertes Geschenk des Lebens.

In welcher Situation waren Sie zuletzt mutlos und was hat Sie wieder aufgebaut?

Abgabe als richtige Entscheidung

Ich musste meinen Pflegesohn in eine Einrichtung geben, habe aber gemerkt, dass es für alle Familienmitglieder die einzig richtige Entscheidung war und ist.

Der Weg zum Pass

Als es aussichtslos erschien, für meinen Pflegesohn einen Pass zu bekommen, um seinen Aufenthalt in Deutschland zu sichern, war ich verzweifelt und mutlos. Ich hatte mit dem Ausländerrecht bis dato nichts zu tun. Dann fügten sich die Dinge langsam, aber sicher. Durch Hilfe von anderen Pflegefamilien und einer ganz tolle Mitarbeiterin in der zuständigen Ausländerbehörde haben wir es mit der entsprechenden Botschaft in Berlin aufgenommen. Mein Pflegesohn hatte wenige Wochen später seinen Pass.

Neue Perspektive gefunden

Als mein Pflegesohn seine Ausbildung geschmissen hat. Er hat aber dank der Reha-Abteilung des Arbeitsamtes wieder eine Perspektive.

Von der Ärztin im Stich gelassen

Unsere Ärztin im Heil- und Therapiezentrum hat uns im Stich gelassen und uns plötzlich nicht mehr, wie im Vorfeld eigentlich besprochen, bei der medikamentösen Einstellung unseres Sohnes zur Seite gestanden. Wir haben dann eine andere Ärztin gefunden und gehen nun mit ihr diesen Weg.

Wenn Pflegekinder sterben

Der jeweilige Tod von drei Pflegesöhnen nahm uns natürlich kurzzeitig die Kraft. Wir wussten aber stets: Sterben eines lieben Menschen ist keine Strafe Gottes. Also haben wir nie gefragt: „Warum und warum gerade bei uns?“ Kein Mensch hat ein Anrecht darauf, dass immer alles gelingt und man immer glücklich ist. Der Tod gehört untrennbar zum Leben.

In welcher Situation mussten Sie all Ihren Mut zusammennehmen und haben sich (trotz Gegenwind?) für etwas eingesetzt, was direkt Ihrem Pflegekind zugute kommt?

Ein Jahr später zur Schule

Bei der Schulrückstellung unseres Pflegesohnes. Der Kindergarten war gegen eine Rückstellung, aber alle Ärzte, Therapeuten und auch wir sind für die Rückstellung.

Kampf um Rechte der Kinder

Wenn man unseren Kindern Rechte verweigerte, haben wir immer den Kampf gegen Behörden und Krankenkassen aufgenommen. Auch vor Gericht. Und, bis auf wenige Ausnahmen, Recht bekommen.

Vormundschaft erkämpft

Wir haben vor Gericht die Vormundschaft für unseren Pflegesohn erkämpft.

Öffentlicher Druck

Alles war geregelt: Ich sollte an einem Sonntag meinen heute jüngsten Pflegesohn mit einer kurzen Anbahnung in der Klinik übernehmen. Doch an dem Freitagmorgen vor diesem Stichtag entschieden die Ämter: Das Kind geht in ein Heim. Begründung: Die amtliche Zuständigkeit ist unklar. Mit allem Mut wurde die Presse eingeschaltet, und auf das entsprechende Jugend- und Sozialamt entstand ein hoher Druck. Fünf Tage später durfte der vier Monate alte Junge bei uns sein Zuhause finden.

Drei Schritte

In der Sorgerechtsübertragung vor mehreren Jahren, der Namensänderung, die mein Pflegesohn wollte, und der gerichtlichen Betreuung, die ich jetzt für ihn mache.

Welche Information, welcher Bericht hat Sie mutig werden lassen? Wann sind Sie mutig?

Gemeinschaft macht Mut

Mir macht Gemeinschaft ganz viel Mut! Gleichgesinnte Familien lassen mich mutig werden. Jedes Pflegekind mit Behinderung, das trotz „Gesetzeslosigkeit“ ein Zuhause in einer Dauerpflegestelle finden kann, das macht Mut.

Austausch mit anderen Eltern

Wenn es vor allem  um die seelische Gesundheit unserer Pflegekinder geht. Dabei helfen mir besonders die Seiten vom Pflegeelternnetz und von Rehakids mit ihren Informationen und Austauschmöglichkeiten.

Kalendersprüche und Austausch

Mich ermutigen oft kleine Sprüche oder Lebensweisheiten. Außerdem ermutigt mich oft der Austausch mit anderen Pflegeeltern.

Mut durch Gespräche

Gespräche mit anderen Pflegefamilien haben unseren Mut immer gestützt.

Noch etwas, das andere Pflegeeltern ermutigen könnte?

Stärke in der Gemeinschaft

Gemeinsam als Verband sind wir stark. Jeder sollte diese Gemeinsamkeit nutzen.

Herz und Verstand

Man sollte immer erst das Herz entscheiden lassen und dann aber auch den Verstand, ob man es schaffen kann.

Nicht hinnehmen, sondern hinterfragen

Nehmt nicht jede Aussage oder jede Festlegung einfach hin! Hinterfragt und agiert zum Wohle eurer Kinder!

Bereicherung fürs Leben

Traut Euch was! Die Anstrengungen lohnen sich, denn das Leben findet durch unsere Kinder Bereicherung.

Früchte der Arbeit

Es gibt Höhen und auch Tiefen im Alltagsleben und sehr viele Rennereien, weil es nie so kommt, wie man denkt, aber man bekommt auch viel zurück und sieht die Früchte seiner Arbeit.

Sie möchten auch etwas Ermutigendes beitragen?

Sehr gerne. Die Sammlung wird laufend erweitert. Hier geht’s zum Fragebogen [doc, 67 KB].