Alte Lasten

Vorwürfe und Vorurteile: Was man so mit sich herumschleppt

Fragt man Pflegeeltern, was sie im täglichen Leben belastet, sind es selten die Kinder – selbst wenn diese behindert, chronisch krank oder besonders herausfordernd sind. Belastend wirken diejenigen Situationen, in denen einen Ämter oder Krankenkassen, Ärzte oder Pädagoginnen nicht ernstnehmen; Äußerungen, die einen als Person infrage stellen; Kommentare, die besonders verletzend oder entwürdigend sind, weil sie von Menschen kommen, die einem als Fachleute eigentlich helfen sollten. Und mit denen Pflegeeltern nicht selten moralisch erpresst werden: „Wenn Sie mit der Situation überfordert sind, müssen wir uns schon fragen, ob das Kind bei Ihnen richtig untergebracht ist.“

Immer die gleichen Muster

Die Frage, was Pflegefamilien besonders belastet und wie sich das ändern lässt, beschäftigt uns beim Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. seit längerer Zeit. Mehrfach haben wir uns bereits bei Veranstaltungen mit Pflegeeltern dazu ausgetauscht. Unter dem Motto „Trau dich was – du bist wer!“ haben wir einen Workshop bei unserem jährlichen Familientreffen veranstaltet sowie eine separate Fachtagung in Mülheim an der Ruhr. Im Mittelpunkt stand dabei, mit welchen Hindernissen sich Pflegefamilien konfrontiert sehen, was dagegen helfen kann und wie Pflegeeltern neues Selbstbewusstsein tanken können.

Aus diesen Veranstaltungen stammt die folgende Sammlung von Ergebnissen und Erkenntnissen aus dem Mund von Pflegeeltern.

Was Pflegeeltern als belastend erleben

  • „finanzielle Unsicherheit,
    unklare Ansprüche,
    Befürchtung, dass die Kinder dabei vernachlässigt werden
    (Beispiel: Ein Taxi-Unternehmen bekommt für die Beförderung des Kindes mehr am Tag als die Pflegemutter.)
    Wenn man über existenzielle Dinge spricht, wird einem vorgehalten, man macht es doch nur des Geldes wegen.
  • Ständige Rechtfertigungspflicht
  • Werden bei Anträgen wie Bewährungstäter behandelt,
    mit Misstrauen beäugt,
    stattdessen sind wir ja für die Opfer da!
  • Fühle mich als Schwerkrimineller,
    mir werden Dinge unterstellt, die juristisch haltlos sind.
  • Lange Wartezeiten auf Reaktionen vom Jugendamt
  • Vorwurf: Ihr macht das nur fürs Geld
  • Vergleichbarkeit zwischen Ämtern / Sachbearbeitern fehlt
  • Zermürbender Kampf um Hilfsmittel
    (Beispiel: Pflegebett wird seit über einem Jahr nicht bewilligt bzw. immer wieder abgelehnt.)
  • Unterstützungskräfte zu finden ist äußerst mühsam bis vergebens
  • Zusammensuchen von Unterstützungsmöglichkeiten,
    man muss selbst alles suchen und bekommt nichts angeboten
  • Zukunft / Rente unklar
  • Rechtliche Situation oft ungeklärt
  • Emotionale Erpressung,
    Drohung mit Herausnahme oder Leistungskürzung,
    Forderung nach Verzicht auf Klage oder auf Diagnostik
  • Mangelnde Integration,
    fehlendes Verständnis von anderen / Kindergarten / Schule
  • Anzeigen wegen Kindeswohlgefährdung gegen einen selbst (unberechtigte, auch mehrfach)
  • Kommunikation mit Ärzten / Therapeuten / Lehrern läuft nicht auf Augenhöhe,
    werden in der Elternrolle nicht ernst genommen
  • Wenn das Pflegekind tot ist, kommt man nicht mehr dran.
  • 24-Stunden-Dauerengagement/-einsatz über viele Jahre,
    man ist immer zu 150 Prozent gefragt,
    Urlaub ist mehr Aufwand als Alltag
  • Kann mein Kind nicht guten Gewissens in Kurzzeitpflege geben,
    hätte gerne Unterstützung im Urlaub, damit ich auch mal Urlaub habe,
    möchte mein Kind dabeihaben, nicht es ausrangieren für diese Zeit
  • Bei Ämtern / Krankenkasse alles erkämpfen zu müssen
    (Beispiel: Supervision ist nicht selbstverständlich, wäre aber dringend nötig.)
  • Recht auf Sorgen und Nöte wird nicht zugestanden
  • Vorurteile und negative Sichtweisen,
    schlechtes Image von Pflegeeltern.“

Womit einem nicht geholfen ist

  • „Ihr schafft das schon. Ihr macht das gut.“
  • „Ihr habt euch das ja rausgesucht.“
  • „Ihr bekommt ja Geld dafür.“